22.09.2022, 21:12 Uhr

​Deutschland will ab Ende des Jahres kein russisches Öl mehr verarbeiten – und braucht deshalb eine Alternative zu Rosneft-Öl. Es könnte aus Polen kommen. Allerdings macht Warschau einen Besitzerwechsel in Schwedt zur Bedingung für seine Hilfe. Polen macht wegen der ostdeutschen Raffinerie Schwedt Druck auf Deutschland und schlägt die Enteignung des russischen Besitzers Rosneft vor. Polen sei bereit, Schwedt bei der Ölversorgung zu unterstützen, teilte das Klimaministerium in Warschau mit. Voraussetzung ist allerdings, dass Rosneft keine Anteile mehr an der Raffinerie besitzt. Trotz der von Deutschland eingerichteten Treuhandverwaltung bleibt Rosneft Eigentümerin. „Die PCK Raffinerie Schwedt ist noch nicht in staatlicher Hand.“ Das Wirtschaftsministerium in Berlin teilte daraufhin mit, Polen begrüße die Lösung des Verwalters. Die Gespräche mit Polen und der Austausch über das Pipelinenetz und die Ölversorgung verlaufen konstruktiv. Rosneft hält gut 54 Prozent der Anteile, Shell ist mit gut 37 Prozent zweitgrößter Eigentümer. Deutschland will ab Ende des Jahres kein russisches Öl mehr verwenden, das ist das Geschäftsmodell von Rosneft in Schwedt. Der Treibstoff kommt direkt aus Russland über die Druschba-Pipeline. Infolgedessen wurde Rosneft-Deutschland unter Vormundschaft gestellt und die Geschäftsleitung ausgetauscht. Um die Raffinerie Schwedt jedoch ohne Rosneft-Öl voll auszulasten, sind nun Lieferungen über den polnischen Hafen Danzig und das dortige Pipelinesystem angewiesen. Mit dem Tankertransport zum Rostocker Hafen und der Pipeline von dort nach Schwedt können nur etwa 60 % der Kapazität gesichert werden. Mindestens 75 Prozent gelten jedoch als wesentlich. Hintergrund des polnischen Drucks könnte sein, dass der Mineralölkonzern Orlen laut deutschen Regierungskreisen sowie polnischen Insidern an einer Mehrheitsbeteiligung und damit Kontrolle von Schwedt interessiert ist. In einem ersten Schritt müsste Rosneft dann seinen 54-Prozent-Anteil abgeben, etwa durch Enteignung durch den deutschen Staat. Rosneft hat bereits gegen die Treuhandverwaltung protestiert und erwägt rechtliche Schritte. Die Bundesregierung hat bestätigt, dass Gespräche mit potenziellen Käufern geführt wurden. Darunter seien auch solche aus Polen, sagte ein Regierungsbeamter. Orlen ist der größte polnische Ölkonzern, der Staat ist Anteilseigner.

Das Energiesicherheitsgesetz würde eine Enteignung zulassen

Shell, der zweitgrößte Anteilseigner, wollte schon lange aus der Raffinerie aussteigen. Verbio und Enertrag, beide aus dem Bereich Erneuerbare Energien, hatten Interesse bekundet. Sie wollen Schwedt eine Perspektive geben, wenn aus Klimaschutzgründen Öl verteilt wird. Das deutsche Energiesicherheitsgesetz würde eine Enteignung von Rosneft ermöglichen. Allerdings wäre dieser Schritt eine weitere Eskalation und Deutschland müsste mit einem ähnlichen Schritt gegenüber deutschen Unternehmen in Russland rechnen. Mit mehr als 3.000 direkten und indirekten Mitarbeitern spielt die PCK-Raffinerie in Schwedt eine zentrale Rolle in der Versorgung Ostdeutschlands mit Benzin und anderen raffinierten Produkten. Teile Westpolens werden ebenso angeflogen wie der Flughafen Berlin-Brandenburg. Da die Bundesregierung es auch für möglich hält, russische Öllieferungen nach der Treuhänderschaft sofort einzustellen, hatte sie sich das Wort gesichert. Die Lager in Schwedt und auch in der benachbarten Raffinerie Leuna seien voll, sagte er. Laut Regierungskreisen reichen die Vorräte bis zu 14 Tage. Sowohl Bundeskanzler Olaf Solz als auch Finanzminister Robert Habeck verwiesen aber auch auf Gespräche mit Polen und eine gemeinsame Arbeitsgruppe zur weiteren Absicherung Schwedts.