Von der Teilmobilmachung sind laut Kreml etwa 300.000 russische Männer betroffen. Viele westliche Experten bezweifeln, dass dies problemlos funktionieren wird. An der Grenze bilden sich derweil lange Schlangen.

Nachdem die russische Regierung eine Teilmobilmachung angekündigt hat, wachsen Zweifel an deren Durchführbarkeit. Das britische Verteidigungsministerium sagte, die neuen Einheiten, die aus den eingezogenen Truppen geschaffen werden könnten, seien “wahrscheinlich monatelang nutzlos”.

„Russland wird wahrscheinlich selbst bei der Anhäufung der 300.000 Soldaten vor logistischen und administrativen Herausforderungen stehen“, schrieb das Ministerium in seinem täglichen Twitter-Update.

Nach Angaben des Ministeriums ist die Teilmobilisierung ein Zeichen russischer Schwäche. “Der Schritt ist im Wesentlichen ein Eingeständnis, dass Russland seinen Vorrat an willigen Freiwilligen für den Kampf in der Ukraine erschöpft hat.”

Vorbereitung auf das Jahresende

Ähnlich sieht es die Osteuropa-Expertin Gwendolyn Sasse. Die Teilmobilmachung werde an der aktuellen militärischen Lage nichts ändern, sagte der Leiter des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien im gemeinsamen Vormittagsprogramm von ARD und ZDF.

Die 300.000 Reservisten müssten erst ausgebildet und ausgerüstet werden, sagte Sasse. Das ist eher eine Vorbereitung auf das Jahresende oder den Frühling. Ob dies ausreicht, um die Dynamik des Krieges zu verändern, ist unklar.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sieht in Putins Ankündigung eine Eskalation des Krieges. Sie beweisen, dass der Krieg nicht nach dem Plan des russischen Präsidenten verläuft. Teilmobilmachung bedeute mehr Tod, mehr Leid – auf beiden Seiten, sagte er dem ARD-Studio in New York.

Der Chef des russischen Parlaments beruft die Abgeordneten

Unterdessen rief der Vorsitzende des russischen Parlaments Wjatscheslaw Wolodin die Abgeordneten der Staatsduma zum Kriegseintritt auf. „Jeder, der die Voraussetzungen für eine Teilmobilisierung erfüllt, sollte helfen, indem er an der militärischen Sonderoperation teilnimmt“, sagte der Duma-Chef auf seinem Nachrichtenkanal Telegram. “Es gibt keinen Schutz für Abgeordnete.”

Russland bezeichnet den Krieg in der Ukraine weiterhin als militärische Spezialoperation. Russlands Präsident Wladimir Putin hat am Mittwoch die Einberufung von 300.000 Reservisten angeordnet – eine sogenannte Teilmobilmachung.

Der Ankündigung folgten Proteste in mehreren russischen Städten. Nach Angaben des Bürgerrechtsportals OVD-Info wurden mehr als 1.300 Menschen festgenommen. An den Landesgrenzen nach Finnland und in die Mongolei bildeten sich Warteschlangen und Direktflüge waren ausverkauft.