Stand: 22.09.2022 09:38 Uhr                 

Die anhaltend hohen Zinserhöhungen der Notenbanken dämpfen die Anlegerstimmung. Nach einer weiteren Jumbo-Zinserhöhung durch die US-Notenbank blicken sie nun nach England und in die Schweiz.

Die dritte große Zinserhöhung in Folge, düstere Äußerungen der US-Notenbank (Fed) und die Erwartung einer Zinsentscheidung der britischen Bank of England (BoE) lassen den DAX heute fallen. Der deutsche Leitindex startete mit einem Minus von rund 1,8 Prozent in den Handel. In der ersten halben Stunde konnte er sich jedoch erholen und näherte sich schnell wieder 15.600 Punkten.

Am Abend setzte die Fed ihre Serie großer Zinserhöhungen fort und erhöhte den Leitzins erneut um 0,75 Prozentpunkte – auf eine neue Spanne von 3,00 bis 3,25 %. Sie erreichte den höchsten Stand seit 14 Jahren.

Die 12.500-Punkte-Grenze rückt immer näher

Der Schritt zielt darauf ab, die außer Kontrolle geratene Inflation zu bekämpfen, die in den USA historisch hoch ist. Bei einer straffen Geldpolitik steigt jedoch die Gefahr, dass die Notenbank die Konjunktur bald so stark bremst, dass der Arbeitsmarkt und die Wirtschaft zum Erliegen kommen. Das ist auch an der Börse zu spüren.

Mit den erneuten Verlusten droht dem DAX ein weiterer Test des runden Punktes von 12.500 Punkten, der bereits im Juli und März als Unterstützung diente. Das Jahrestief von 12.390 Einheiten wurde kurzzeitig unterschritten, was nun wieder in den Fokus rückt. Bedingt durch den Krieg in der Ukraine, hohe Inflation, dadurch stark steigende Leitzinsen und Rezessionsängste verlor der DAX im bisherigen Jahresverlauf rund ein Fünftel. Vor der gestrigen Fed-Sitzung beendete der Spitzenindex den Handel trotz einer Rally in Russland mit einem Plus von etwa 0,8 %.

Die Wall Street fällt

An der Wall Street waren die wichtigsten Indizes seit Juli im Zuge einer weiteren starken Zinserhöhung auf neue Tiefststände gefallen. Nach Kursschwankungen verlor der Dow Jones 1,70 % auf 30.183 Punkte. Gegen Ende des Handels nahm der Verkaufsdruck zu und der Spitzenindex fiel auf den niedrigsten Stand seit mehr als zwei Monaten. Der breitere S&P 500 fiel um 1,71 %, der technologielastige Nasdaq 100 verlor 1,8 %.

Das Problem sei nicht der konkrete Anstieg, sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. “Vielmehr war es die Tatsache, dass die Fed ihr Programm hartnäckig fortsetzen wird, was die Hoffnungen auf eine geldpolitische Lockerung dämpfte.” Angesichts der nachlassenden US-Konjunktur hätten viele auf einen vorsichtigeren Ansatz gehofft. Stattdessen machte Fed-Chef Jerome Powell gestern klar, dass die großen Zinserhöhungen noch nicht vorbei sind. „Ich wünschte, es gäbe einen schmerzlosen Weg“, sagte Powell. “Es gibt keinen.”

Infolgedessen befürchteten die Anleger laut Credit Suisse zunehmend eine “harte Landung”. Besonders hervorzuheben sind die aktuellen Zahlen zu prognostizierten zukünftigen Zinsen („Fed Dot Plots“), die mit einem hohen Wert von 4,6 % im Jahr 2023 über den Markterwartungen lagen.

BoE und SNB in ​​Sicht – Tech-Papiere unter Druck

In diesem Zusammenhang kamen vor allem Technologieunternehmen unter die Räder. Experten zufolge werden höhere Zinsen die zukünftigen Gewinne dieser wachstumsstarken Unternehmen belasten. Das schickte den Online-Modehändler Zalando, den Versender von Rezeptboxen HelloFresh und den Lebensmittellieferdienst Delivery Hero um bis zu 3,5 Prozent nach unten.

Heute beschäftigen die Anleger weitere Zinsentscheidungen. Die Bank of England (BoE) dürfte den Leitzins ungewöhnlich stark anheben. Broker erwarten einen Anstieg des Leitzinses um 0,75 Prozentpunkte auf 2,5 %. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat heute Morgen nach acht Jahren die Ära der Negativzinsen beendet. Die Währungshüter erhöhten den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte auf 0,50 %.

Gegen den globalen Trend hält die japanische Notenbank an ihrer Niedrigzinspolitik fest. Nach einer zweitägigen Sitzung beschlossen die Währungshüter, ihre wichtigsten geldpolitischen Hebel unverändert zu lassen. Die kurzfristigen Zinsen bleiben bei minus 0,1 Prozent und die langfristigen Zinsen um null. Als Reaktion auf die Urteile wertete der Yen gegenüber dem Dollar weiter auf ein 24-Jahres-Tief ab. Die drei Zentralbanksitzungen drängen heute anstehende Konjunkturdaten in den Hintergrund. So wird das Barometer für das Verbrauchervertrauen in der Eurozone veröffentlicht.

Auch die asiatischen Aktienmärkte schreiben rote Zahlen

Auch für Aktien aus Asien gibt es heute keinen Rückenwind. Auch Aktien verloren nach der Entscheidung der US-Notenbank am Vorabend an Boden. In Tokio fiel der japanische Spitzenindex Nikkei 225 um fast 0,6 Prozent. In Shanghai fiel der CSI 300-Index, der die 300 größten Unternehmen an den Börsen des chinesischen Festlandes listet, um 0,89 Prozent.

Noch stärker fiel der Aktienmarkt in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong. Dort verlor das Flaggschiff Hang Seng zeitweise bis zu 2,6 Prozent und fiel auf ein Elf-Jahres-Tief. Solange sich erhöhte Rezessionsrisiken nicht vollständig in den Kursen widerspiegeln, sei mit einem weiterhin unterdurchschnittlichen Wachstum riskanter Anlagen zu rechnen, sagte Anlagestratege David Chao von Invesco Asset Management.

Dollar steigt auf 20-Jahres-Hoch

Der Anstieg der globalen Reservewährung hält an. Der Dollarindex, der den Wechselkurs gegenüber den wichtigsten Währungen widerspiegelt, stieg heute um 0,3 % auf 111,79, den höchsten Stand seit 20 Jahren. „Was kann man im Moment anderes kaufen als den Dollar“, fragt Sally Auld, Chefinvestorin beim Vermögensverwalter JB Were. “Die Fed wird nicht so schnell aufhören, die Zinsen zu erhöhen.” Andere Makler sind ebenfalls aufgeführt…