Die Schweiz erlebt einen seit langem nicht mehr erlebten Preisanstieg. Hohe Energiepreise, Prämienschock, Inflation. Die Menschen haben immer weniger im Portemonnaie. Während der Kaufkraftverlust viele Menschen zum Kochen bringt, bewahrt der Bundesrat Ruhe. Er sieht keine Notwendigkeit für Sofortmaßnahmen gegen hohe Energiepreise und Inflation. Er lehnt mehrere Vorschläge des Parlaments ab. Zum Leidwesen von Zentralteamchef Philipp Matthias Bregy (44): „Notsituationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen“, sagt er. “Der Bundesrat hätte die diversen Vorstösse als Sprungbrett nehmen können, um seine eigene Idee der Kaufkraftsicherung zu präsentieren – stattdessen tut er nichts.” Jetzt brauche er einen Wink vom Parlament, so Bregy. Tatsächlich sind jetzt die Bundesabgeordneten selbst am Ruder. Am Mittwoch entscheidet der Nationalrat in einer ausserordentlichen Sitzung zur Kaufkraftfrage, ob es Entlastungsmassnahmen für die Bevölkerung gibt. Am Montag ist der Ständerat an der Reihe. Blick erklärt die wichtigsten Sätze.

Vollständige Anpassung der AHV-Inflation

Die AHV-Renten werden in der Regel alle zwei Jahre der Lohn- und Preisentwicklung angepasst. Dank dem sogenannten Mischindex stieg 2021 die Mindestrente von 1185 auf 1195 Franken pro Monat und die Maximalrente von 2370 auf 2390 Franken. 2023 wird die nächste Anpassung erwartet: Weil die Löhne fast gestiegen sind, die Inflation aber hoch ist, droht den Rentnern ein Kaufkraftverlust. Eine Mitte-Links-Koalition will das verhindern. Sie fordert eine vollständige Teuerungsanpassung bis 2023. Damit würde die Mindestrente um 30 bis 40 Franken steigen. Die SVP schlägt zurück und will beim aktuellen Mischindex bleiben, der die Mindestrente nur um rund 20 Franken erhöhen würde. Einziger Unterschied zum jetzigen System: Die SVP will Geld aus der Entwicklungsarbeit oder den Kulturausgaben an sich reißen. Während der SVP-Vorschuss kaum eine Chance haben dürfte, wird der zentrale Vorschuss für den vollen AHV-Ausgleich begrenzt. Mitte, SP und Grüne bekommen 100 Stimmen im Oberhaus, SVP, FDP und GLP ebenfalls. Entscheidend wird also sein, wer bei der Abstimmung im Raum ist und ob es Andersdenkende gibt. Einzelne Stimmen könnten etwas bewegen – wie Lega-Nationalrat Lorenzo Quadri (47), der der SVP-Fraktion angehört, aber auch in sozialen Fragen oft linke Positionen vertritt. Auf Nachfrage wollte der gebürtige Tessiner nicht verraten, wie er abstimmen wird. Von der Erhöhung profitieren nicht nur die 2,5 Millionen AHV-Rentner, sondern auch die Bezüger von IV-Renten und Ergänzungsleistungen. Dies wäre umso wichtiger, weil es bei der 2. Säule oft keinen Teuerungsausgleich gibt.

Prämienentlastung

Neben der Inflation drücken vor allem die Gesundheitskosten auf den Geldbeutel. Die Versicherer rechnen im nächsten Jahr mit Prämiensteigerungen von bis zu 10 Prozent. Ein gewaltiger Schub, den eine Mitte-Links-Koalition auch hier moderieren will. Daher muss der Bundesbeitrag zur Prämienverbilligung einmalig um 30 Prozent erhöht werden. Damit erhöht sich der Bundesbeitrag für 2023 auf rund 4 Milliarden Franken. Vor allem untere und mittlere Einkommen könnten so stärker entlastet werden. Und hier wird eine geschlossene Entscheidung erwartet. Auch diese Frage beantwortet die SVP: In einer Vorlage fordert er, die Krankenkassenprämien ganz aus der direkten Bundessteuer herauszunehmen – was allerdings wegen des Fortschritts höhere Einkommen eher begünstigt. Zudem hat der Bundesrat im Juni eine Vorlage verabschiedet, die den Steuerabzug erhöht. Für Ehepaare zum Beispiel von 3500 bis 6000 Franken. Dadurch entsteht ein Einnahmeausfall von 400 Millionen Franken. Trotz der Sympathien der Bürger ist es unwahrscheinlich, dass es eine Mehrheit für die neue Initiative geben wird.

Erhöhte Energiepreise

Ansetzen möchte die SVP auch bei den Spritpreisen: Der Bund soll vorübergehend auf seinen Anteil an der Mineralölsteuer verzichten. Das kostete die Bundeskasse weit über 1 Milliarde Franken. Ob die Reduzierung tatsächlich Autofahrer und Gewerbetreibende treffen wird, bleibt abzuwarten – in Deutschland, das vorübergehend einen Rabatt für Panzer gewährt, verflog der Effekt bald. Hinzu kommt, dass die Kraftstoffpreise hierzulande wieder etwas gesunken sind. Ähnliche Bemühungen scheiterten in der Sommersaison. Diesmal sollte es nicht anders sein. Pierre-Yves Maillard: „Alles läuft in die falsche Richtung!“ (01:38) Die Grünen verfolgen einen gezielteren Ansatz: Sie fordern einen temporären “Energiebonus” für Haushalte in bescheidenen finanziellen Verhältnissen. Der Zuschuss kommt daher denjenigen zugute, die von hohen Energiepreisen – ob Öl, Gas oder Strom – betroffen sind. Allerdings dürfte die Initiative keine Mehrheit finden. Das liegt auch daran, dass der Bundesrat eine Arbeitsgruppe vertagt, die derzeit verschiedene Massnahmen erwägt. Dieses soll seine Ergebnisse im Oktober der Regierung vorlegen.

«Eidgenössischer Check» an den Ständerat

Ein weiterer Vorstoß der SVP tanzt etwas aus der Reihe. Er will den Mietwert für Rentner streichen. Da der Eigenmietwert bereits in einem separaten Gesetzentwurf diskutiert wird, dürfte die Initiative kaum an Fahrt gewinnen. Am Montag entscheidet der Ständerat über ähnliche, teilweise identische Vorlagen. Er hat auch einen SP-Vorschlag auf dem Tisch, der eine “Bundesprüfung” erfordern würde, wenn die Inflation über 5% steigt. SP erwägt einen Beitrag von bis zu 260 Franken pro Erwachsenem, der für Miete, Energiekosten oder Lebensmittel verwendet werden könnte. Der Scheck wäre auf untere und mittlere Einkommensbezieher beschränkt. Die Prognose ist mutig: Fortschritt ist entschieden nicht. Die Vorschriften zur Inflationsbekämpfung sind daher vielfältig. Doch die Vorstellungen gehen so weit auseinander, dass Ausgrenzung droht. Und die Bevölkerung geht wieder leer aus.