Seit 2018 gelten neue Lehrpläne für alle AHS-Fächer der Primar-, Sekundar- und Mittelstufe und sollen ab 2023/24 gelten. Technisch handelt es sich um Erlasse des zuständigen Bildungsministers.
Fehlender Praxisbezug
Vor allem Pflichtschullehrer vermissen den Praxisbezug: „Für jede Unterrichtsstunde sollen mindestens zehn Profis an den Inhalten gearbeitet haben. Offensichtlich wurde diese Expertise bei der Erstellung des Curriculums nicht ausreichend berücksichtigt, was nicht nur sehr bedauerlich ist, sondern sich auch negativ auf die praktische Verwendbarkeit im Unterricht auswirken wird.“
Technische Fähigkeiten “schlecht geschrieben”
In allen Studiengängen wird zwischen fachlichen, interdisziplinären und überfachlichen Kompetenzen unterschieden. Laut der Gewerkschaft sind technische Fähigkeiten „unlesbar“ und laufen Gefahr, „ein bestgehütetes Geheimnis“ zu werden. Interdisziplinäre Fähigkeiten wie Motivation, Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen oder Sozial- und Lernkompetenz zu vermitteln, erscheint dagegen in den heutigen großen Klassenzimmern mit Kindern unterschiedlicher Nationalitäten oder mit unterschiedlichen Lernbedürfnissen „fast unmöglich“. Auch die Umsetzung von 13 fächerübergreifenden Themen im Unterricht wurde von den Lehrkräften als „schwierig umsetzbar“ empfunden. Diese reichen von Entrepreneurship Education über IT- und interkulturelle Bildung, geschlechterreflektierende Bildung und Gleichstellungs- oder Sexualerziehung bis hin zu Verkehrserziehung und Umweltbildung für nachhaltige Entwicklung. Überhaupt wundern sich die Pflichtlehrervertreter über die Praxisrelevanz mancher Lehrplanformulierungen: Dort heißt es etwa zu den allgemeinen Unterrichtsgrundsätzen: „Lehrkräfte sehen es als ihre Pflicht an, Schüler individuell zu verstehen und zu fördern und stereotype Annahmen zu vermeiden und Verpflichtungen. Lehrkräfte kennen und nutzen geeignete pädagogische Diagnostikinstrumente, um die Lernvoraussetzungen von Schülerinnen und Schülern zu ermitteln und deren Lernprozesse entsprechend begleiten zu können. Sie fördern individuelle Lernprozesse durch unterschiedliche und abwechslungsreiche Lernkontexte und setzen geeignete Lehrmaterialien ein. Sie geben individuelles Feedback, das das Lernen begünstigt und die Schüler ihre Entwicklungsfähigkeit bewusst wahrnehmen lässt.“
Pflichtschullehrer: 125.000 „Wunder-Saufen“ benötigt.
“Und das in einer Klasse von 25 bis 29 Schülern!” schreiben die Gewerkschafter. Den am Lehrplan beteiligten Fachleuten sei hier möglicherweise der Praxisbezug entgangen, vermuten sie – „oder es wird allgemein angenommen, dass an österreichischen Schulen rund 125.000 ‚Wunderwuzzis‘ arbeiten“. Ähnlich argumentiert die Lehrergewerkschaft AHS: „Die Gliederung in thematische, fächerübergreifende und überfachliche Kompetenzen, die Textmenge und die Vielzahl an fächerübergreifenden Themen machen den Lehrplan schwer lesbar. Viele der Ziele, die wir verfolgen, scheinen schwer umsetzbar oder nicht praktikabel.“ AHS-Lehrer lehnten das geplante Inkrafttreten zum Schuljahr ab: Es sei “bis dahin unmöglich, zugelassene Lehrbücher zur Verfügung zu haben, die die Lehrplanänderungen berücksichtigten”. Keinesfalls dürfen die neuen Lehrpläne zu Mehraufwand führen – aber genau das meinen die Vorgaben im Entwurf.