Sonja O. kannte sich aus und informierte sich über den Preis, den sie für die sogenannte Grundversorgung in ihrem örtlichen Gasnetz zahlen musste. Grundversorgung ist ein Tarif, der jedem Verbraucher von dem Versorgungsunternehmen mit den meisten Kunden in der Umgebung angeboten werden muss. Waren diese Tarife in der Vergangenheit oft sehr teuer und damit unattraktiv, so haben rasant steigende Gaspreise dazu geführt, dass Grundversorgungstarife heute vielerorts am günstigsten sind. Auch der Hauptlieferant wäre für Sonja O. deutlich günstiger: 14 Cent pro Kilowattstunde kostet dort derzeit eine Kilowattstunde – deutlich mehr als bei ihrem alten Vertrag, aber nur die Hälfte der neuen angebotenen Konditionen. Das Problem ist nur: Sonja O. bekommt die Grundlieferantenrechnung nicht – zumindest nicht sofort. „Unser Hauptversorger bietet uns derzeit nur die Möglichkeit, auf Ersatzversorgung umzusteigen“, schreibt er in einer E-Mail an WELT. Lesen Sie auch Es gibt viele, die derzeit in der gleichen Situation wie Sie sind und versuchen, aufgrund hoher Preissteigerungen auf die Grundversorgung umzusteigen: Die Lieferanten versuchen, sie zuerst in die viel teurere Alternativversorgung zu drängen. Lesen Sie auch Eurojackpot-Aktion online Dort würde eine Kilowattstunde mit 42 Cent deutlich mehr kosten. „Wir können erst nach drei Monaten in den Grundversorgungstarif wechseln“, schreibt O. „Uns wurde gesagt, dass dies gesetzlich vorgeschrieben ist.“ Verbraucherschützer sind sich in diesem Punkt eindeutig uneins. „Unserer Meinung nach kann jeder Kunde, der aufgrund einer Preiserhöhung seinen Vertrag entweder aktiv kündigt oder dessen Vertrag vom Versorger gekündigt wird, auf die Grundversorgung wechseln und muss nicht auf die Ersatzversorgung umsteigen“, sagt Energieexperte Holger Schneidewindt von die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Dass es in der Praxis bei vielen Anbietern unterschiedlich gehandhabt wird, erkennen auch Verbraucherzentralen an entsprechenden Beschwerden von Erdgaskunden. Lesen Sie auch Hohe Strom- und Erdgaspreise
„Die Kernversorgung war schon immer die Cash Cow der Lieferanten, das hat sich nun geändert“, sagt Schneidewindt. „Viele Anbieter versuchen jetzt, die Ersatzversorgung zur neuen Cash-Cow zu machen.“ Denn für Energieunternehmen ist es ein großes Problem, wenn plötzlich extrem viele Neukunden zur Grundversorgung kommen. Die Preise in diesen Tarifen sind vor allem deshalb noch niedriger als in vielen Sondertarifen, weil die Versorger für diesen Kundenstamm schon lange Gas in der Grundversorgung eingekauft haben – zu den damals noch günstigen Preisen.

Rechtliche Grauzone

Als nach dem Zusammenbruch einiger Billiganbieter im Strom- und Gasmarkt plötzlich tausende Kunden auf Grundversorgungstarife landeten, führten einige Anbieter deshalb unterschiedliche Preise für Neu- und Bestandskunden innerhalb der Grundversorgung ein. Aber das war eine rechtliche Grauzone. Der Gesetzgeber hat deshalb zwischenzeitlich die Unterscheidung zwischen Grund- und Ersatzversorgung eingeführt. „Es ist rechtlich nicht mehr zulässig, innerhalb der Grundversorgung unterschiedliche Tarife für Bestands- und Neukunden anzubieten“, sagt Verbraucherschützer Schneidewindt. „Stattdessen versuchen einige Anbieter jetzt, möglichst viele Kundengruppen auf die alternative Versorgung statt auf die Grundversorgung zu verlagern.“ Lesen Sie mehr über die Erdgaskrise Die Unterschiede sind zum Teil erheblich: Auch Vattenfall, der größte Berliner Stromversorger, bietet einen Ersatztarif für knapp 29 Cent pro Kilowattstunde an, der mehr als das Doppelte kostet: 66,7 Cent. „Ersatzpflege und Grundversorgung sind nicht dasselbe“, sagt ein Sprecher. Als „Notversorgung“ dient die Ersatzversorgung, wenn Gas oder Strom verbraucht werden, die keinem bestimmten „Lieferanten oder einem bestimmten Liefervertrag“ zugeordnet werden können, „zum Beispiel wenn der bisherige Energielieferant das Netznutzungsrecht verliert“. Es ist der klassische Fall einer Low-Cost-Carrier-Pleite. „Grundversorgung und Ersatzversorgung lassen sich grundsätzlich wie folgt unterscheiden: Die Ersatzversorgung hat eine ‚Nachholfunktion‘ – sie greift zum Beispiel immer dann, wenn ein bisheriger Lieferant die Lieferung einstellt“, sagt Eon, das Unternehmen in Hamburg Gas, z Beispiel -Basisdienst.

Keine Kündigungsfrist

„Wenn ein Strom- oder Erdgasversorger Insolvenz anmelden muss und seine Kunden nicht mehr mit Energie versorgen kann, springt automatisch der Grundversorger ein“, sagt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). „Betroffene Kunden kommen, sofern sie nicht zu einem anderen Anbieter wechseln, aber in diesem Fall für drei Monate auf die sogenannte Ersatzversorgung.“ Verbraucher könnten dann jederzeit und ohne Kündigungsfrist zu einem anderen Anbieter wechseln. „Tun sie das nicht, werden sie nach Ablauf der dreimonatigen Ersatzversorgung in die Grundversorgung überführt“, so der BDEW. Lesen Sie auch Doch was ist mit Kunden, die aufgrund einer Preiserhöhung vom Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen? Verbraucherschützer sind davon überzeugt, dass der lokale Anbieter ihnen auch die Grundversorgung bieten muss. In jedem Fall ist es eine gute Idee, aktiv zu werden: Wer seinen bestehenden Vertrag beendet und Gas und Strom einfach weiter nutzt, in der Annahme, dass er automatisch in der Hauptversorgung landet, findet sich schnell in der Ersatzversorgung wieder. Daher sollten Sie unbedingt aktiv eine Grundversorgungsrechnung mit dem Nahversorger abschließen. Allerdings kann es wie bei Sonja O. auch hier zu Problemen mit dem Anbieter kommen. In solchen Fällen hilft nur der Gang zu Verbraucherzentralen oder einem Anwalt. Hier können Sie sich unsere WELT-Podcasts anhören Zur Anzeige der eingebetteten Inhalte ist Ihre widerrufliche Einwilligung zur Übermittlung und Verarbeitung personenbezogener Daten erforderlich, da die Drittanbieter der eingebetteten Inhalte diese Einwilligung benötigen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem Sie den Schalter auf „on“ stellen, erklären Sie sich damit einverstanden (jederzeit widerrufbar). Dies umfasst auch Ihre Zustimmung zur Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten an Drittländer, einschließlich der USA, gemäß Artikel 49 Absatz 1 Buchstabe a DSGVO. Hier finden Sie weitere Informationen dazu. Ihre Einwilligung können Sie jederzeit über den Schalter und über den Datenschutz unten auf der Seite widerrufen.